Bewerbungsgespräch - Fragerecht und Wahrheitspflicht |
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Geschrieben von: EMSENHUBER & PARNTER |
Welche Fragen ein Bewerber im Vorstellungsgespräch wahrheitsgemäß beantworten muss, hängt häufig von einer Interessenabwägung und somit von den Umständen des Einzelfalls ab.
Der folgende Beitrag gibt – unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung – einen Überblick über die häufigsten Fragestellungen, die in der Praxis auftauchen.
WahrheitspflichtFragen zu folgenden Themen muss ein Bewerber richtig beantworten:
Keine WahrheitspflichtBei der Beantwortung folgender Fragestellungen besteht hingegen keine Wahrheitspflicht:
Keine DiskriminierungDiskriminierende Fragen, etwa nach der geschlechtlichen Orientierung, dem Religionsbekenntnis, der (gemäßigten) politischen Anschauung oder der Gewerkschaftszugehörigkeit, unterliegen ebenfalls nicht der Wahrheitspflicht. Anderes gilt allerdings in Tendenzbetrieben , also in Betrieben, die unmittelbar und überwiegend politischen oder konfessionellen Zwecken dienen . So muss beispielsweise bei einer Bewerbung um eine Stelle als Sekretär eines Politikers oder eines Gewerkschaftsfunktionärs die Frage nach der Partei- bzw Gewerkschaftszugehörigkeit oder im Fall einer Bewerbung um eine Stelle bei einer kirchlichen Organisation die Frage nach der Religionszugehörigkeit richtig beantwortet werden.
BehinderteneigenschaftNach einer (noch nicht rechtskräftigen) Entscheidung des OLG Wien berechtigt die unrichtige Verneinung der Frage, ob der Dienstnehmer begünstigter Behinderter ist, den Dienstgeber bei Bekanntwerden der Behinderteneigenschaft nach rund neun Monaten anstandsloser Beschäftigung nicht zur Entlassung. Diese Entscheidung basiert demnach auf der Rechtsauffassung , dass auch die Frage nach dem Vorliegen einer begünstigten Behinderung nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden muss.
RechtsfolgenBeantwortet der Bewerber eine Frage, die nicht unter die Wahrheitspflicht fällt, falsch, und kommt es in der Folge zur Begründung eines Dienstverhältnisses, so ist der Dienstgeber, nachdem er die Lüge durchschaut hat, nicht berechtigt, das Dienstverhältnis durch Entlassung (wegen Vertrauensunwürdigkeit oder Einstellungsbetrug) zu beenden. Auch der Kündigungsrechtfertigungsgrund der in der Person des Dienstnehmers liegenden Umstände, die die betrieblichen Interessen nachteilig berühren, kommt in diesem Fall nicht in Betracht.
SonstigesDas Fragerecht kann vom Dienstgeber im Bewerbungsgespräch oder auch mittels Personalfragebogens ausgeübt werden (in letzterem Fall ist das Mitspracherecht des Betriebsrats gemäß § 96 Abs 1 Z 2 ArbVG zu beachten). Die von den Bewerbern erhobenen Daten unterliegen der Geheimhaltungspflicht nach dem Datenschutzgesetz .
Besteht ein besonders großes Interesse des Dienstgebers an der Erlangung einer Information (etwa bezüglich einer gefährlichen und ansteckenden Krankheit), so ist der Bewerber unter Umständen dazu verpflichtet, den betreffenden Umstand von sich aus, also auch ohne danach gefragt zu werden, mitzuteilen. Der Status als begünstigter Behinderter zählt aber nicht dazu , weshalb ein Verschweigen dieser Eigenschaft weder Schadenersatzansprüche des Dienstgebers (wegen entgangener Förderungen und steuerlicher Begünstigungen) auslöst, noch den Dienstgeber zur Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit berechtigt.
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